Nicolaus August Otto 1
Es ist schwierig, mit diesem an Ereignissen so reichen Kapitel zu beginnen. Eigentlich geht es nicht um eine, sondern um zwei Erfindungen. Außerdem treten noch weitere Personen auf, die für die Entwicklung
des Verbrennungsmotors und seine Adaption ins Kraftfahrzeug nicht ganz unwichtig sind. Auch kann man nicht sicher sein, bisher einen genügenden Querschnitt über diejenigen geliefert zu haben, die an der
bisherigen Entwicklung des Verbrennungsmotors beteiligt waren.
Es werden noch mehr aus ihren Löchern kriechen, wenn man daran geht, nach dem grandiosem Erfolg einer technischen Lösung die Patente anzuzweifeln. So ist es später Rudolf Diesel gegangen und wird bei
Otto nicht anders sein. Aber trotzdem haben wir ein schlechtes Gewissen, weil es in so vielen Ländern technische Lösungen zur Bewegung mit Dampf, Gas, flüssigem Brennstoff und Elektrizität gegeben hat.
Aber irgendwann einmal muss es sein, dann muss Nicolaus August Otto in diesem Buch auftreten.
Allein schon der vielen Richtigstellungen wegen, die dann hoffentlich keiner mehr bedürfen. Es ist wie bei James Watt, von dem ja auch noch oftmals behauptet wird, er habe die Dampfmaschine erfunden. So
hat z.B. Otto nicht wirklich den Ottomotor erfunden. Warum? Weil wir heute den Begriff 'Ottomotor' synonym mit Benzinmotor benutzen. Konstatieren müssen wir aber, dass Otto den Viertaktmotor erfunden
hat. Allerdings gibt es dieses Prinzip in ähnlicher Quantität auch im Dieselmotor.
Sein erster großer Erfolg war auch nicht dieser, sondern der atmosphärische Gasmotor von Lenoir, den er völlig umkonstruierte und dem zu einem erheblich höheren Wirkungsgrad verhalf. Und trotzdem hatte
Otto keine technische, sondern eine kaufmännische Ausbildung genossen. Und um noch einen daraufzusetzen, liefen sowohl sein erster atmosphärischer wie auch sein Viertaktmotor auf Gas, nicht auf Erd-,
sondern auf aus Kohle gewonnenem Stadtgas.
Doch jetzt einmal der Reihe nach. Nicolaus Otto wird 1832 in Holzhausen, einem kleinen Ort im Taunus ca. 150 km südöstlich von Köln geboren. Ob der Vater nun Land-, Gastwirt oder Posthalter oder alles
zusammen war, jedenfalls ist er früh gestorben. Otto verließ die Realschule 1848 mit gutem Abgangszeugnis für die schon erwähnte, dreijährige Ausbildung zum Kaufmann.
Wir erleben ihn also wieder 1861 in Köln, wo er seinen Unterhalt als Handlungsreisender in Postkutschen wohl hauptsächlich in der Eifel verdient. Ein Jahr zuvor ist auch seine Mutter gestorben, wodurch er ein
kleines Vermögen erbt. Man sagt, seine Motivation und die seines Bruders seien in dem 1860 erfundenen Lenoir-Motor begründet gewesen.
Grundsätzlich ist man auf der Suche nach einem Lückenfüller. Denn die Dampfmaschine, die das industrielle Zeitalter längst vorangebracht hat, lohnt sich eher, je großer der Bedarf an Drehmoment und
Leistung ist. Das Handwerk und das kleine Gewerbe haben durch die Manufakturen übermächtige Konkurrenz erhalten, könnten aber mit einem kleineren, weniger schwerfälligeren und auch vom Verbrauch her
sparsameren Antrieb aufholen.
Und wenn er dann noch mit flüssigem Treibstoff betrieben werden könnte und weder Kessel noch Schornstein bräuchte, wäre er überall einsetzbar. Manche Quellen behaupten, in dem ersten, übrigens
abgelehnten Patentgesuch habe schon die Absicht gestanden, mit einem solchen Motor Fahrzeuge anzutreiben. Jedenfalls zieht sich der ältere Bruder Wilhelm nach der Ablehnung zurück.
Die Erkenntnisse dazu stammen aus den Erfahrungen mit einer Art Lenoir-Nachbau, die der Mechaniker Michael Zons in dessen Werkstatt für ihn baut. Irgendwann bei dem Versuch mit erhitztem Spiritus
bemerkt er die enorme Steigerung der Kraft, die ein verbrennendes Gemisch entwickelt, wenn es vorher verdichtet wird.
kfz-tech.de/PGe93
Er gibt Zons den Auftrag, so etwas wie einen Viertaktmotor zu bauen. Oben sehen Sie einen Nachbau, fotografiert im Museum der Deutz AG in Köln. Wenn man ihn genauer betrachtet und analysiert, kommt
man dem Lauf der Geschichte hin zum Viertaktmotor vielleicht ein Stück näher.
Was wir sehen sind vier Zylinder, von denen die Kolben der linken Seite nahe OT und der rechten nahe UT stehen. Jede Seite führt also die gleichen Bewegungen durch. Ein Vergleich mit dem viel späteren
Boxermotor ist hier keineswegs gegeben.
Wir lassen den 2:1-Zahnradtrieb weg, weil er in der Skizze von 1885 nicht vorkommt, nach der dieses Modell wohl entstanden ist. Weder originale Zeichnungen noch der originale Motor sind noch vorhanden. Der
Zahnradtrieb könnte nämlich hinzugefügt worden sein, um das Viertaktprinzip zu beweisen.
Professor Friedrich Sass behauptet in seinem Buch 'Geschichte des Deutschen Verbrennungsmotorbaus', es könne sich bei den Skizzen durchaus um einen Zweitaktmotor handeln, wie das Ursprungsmodell
von Lenoir auch.
Ob er nun nachträglich umgetauft wurde, spielt aber keine große Rolle, denn die Erfindung des Viertaktmotors hat schließlich stattgefunden, ob nun schon 1862 oder später. Warum Otto mit diesem Motor
gescheitert ist, das erklärt Sass an der Verbindung zwischen Kolben und Pleuel.
Die ist auch bei diesem Versuchsmodell keineswegs starr. Vielmehr stützt sich jeder Kolben, hier nicht sichtbar, auf einen kleinen Hilfskolben ab, der durch Kompression eines kleinen Luftraums die Kraft des
Kolbens auf das Pleuel abfedern soll.
Der Ursprung von Ottos Idee mit dem Viertaktmotor waren ja seine Versuche mit dem Modell des Lenoir-Motors. Er hatte daran so lange herumexperimentiert, bis er eine Zündung vorkomprimierten Gemischs
erzeugen und deren deutlich verbesserte Wirkung sehen konnte.
Auch ohne diese Vorverdichtung lief der Motor relativ hart, so dass Otto fürchtete, er werde die dauernde Zündung von vorverdichtetem Gemisch nicht überstehen. Sass vermutet nun, dass Otto deshalb diesen
Puffer zwischen Kolben und Pleuel einbauen ließ, um die Stöße besser abfangen zu können. Und genau hierin sieht Sass die Gründe für das Scheitern dieses Motors.
Denn ohne exakte Zuordnung von der Position des Kolbens zu der von der Kurbelwelle ist eine von dort nur mögliche Zündauslösung nicht exakt. Aber ungenaue Zündung kann eben auch Frühzündung bedeuten
und genau die habe den Motor nach etwas längerem Lauf ruiniert.
Wenn es eines Beweises bedarf, dann steckt der sicherlich in der Konstruktion des atmosphärischen Gasmotors von Otto. Der neue hat einen stehenden Zylinder, später im Stil griechischer Säulen verkleidet,
in dem ein Kolben zunächst leicht angehoben wird und dabei genügend Unterdruck zum Ansaugen eines Luft-Gemischs entwickelt. Wird das gezündet, so schnellt er nach oben und wird durch die dabei
stattfindende Abkühlung des Verbrennungsgases vom Atmosphärendruck wieder nach unten gedrückt.
Eigenartigerweise gibt der aber nicht bei der Bewegung nach oben über eine Zahnstange sein Drehmoment auf ein großes, oben auf dem Zylinder montiertes Schwungrad ab, sondern erst auf seinem Weg nach
unten, ein Freilauf ermöglicht den Weg nach oben ohne Kraftschluss.
Jeder mit der Technik Vertraute würde meinen, dass die Kraft während des Hubes weitergegeben werden sollte, in dem das verbrennende Gemisch den Druck erzeugt. Nicht so Nicolaus Otto. Er konstruiert
einen Motor, der genau diese direkte Druckübertragung vermeidet.
Irgendwann war ich mit einer Lehrlingsklasse im damaligen Deutz-Museum in Köln und ein (sehr alter) Museumswärter hat uns den Motor vorgeführt. Eigenartigerweise habe ich heute noch (oder wieder) den
Klang im Ohr, wobei noch nicht einmal die Zündung, sondern das offenbare Anschlagen des Kolbens oben wohl den Hauptlärm verursachte.
Hätte ich damals schon gewusst, dass ich dereinst ein Buch über die Geschichte der Kfz-Technik schreiben würde, ich wäre noch einmal nach Köln gefahren und hätte den Mann interviewt. Es ließ nämlich
während seines Vortrags mehrmals die Bemerkung fallen, dass er Maybach noch gekannt habe. So, jetzt können Sie nachschlagen und nachrechnen, ob das denn sein kann.
kfz-tech.de/YGe13
Leider lässt der Film viele Hinweise auf die tatsächlichen Begebenheiten bei der Erfindung des Viertaktmotors außer acht. Er endet mit einem Grabstein, auf dem Otto als der Erfinder des Verbrennungsmotors
genannt wird. Diese Ehre gebührt natürlich Étienne Lenoir. Otto hat dessen Motor eben nur entscheidend verbessert.
Überhaupt kommt Lenoir in dem Film erst vor, als dessen Motor auf der Weltausstellung in Paris von Ottos atmosphärischem Gasmotor in puncto Verbrauch entscheidend geschlagen wird. Auch die
Betrachtung, welche Überlegungen denn Otto eigentlich zur Realisierung des Viertaktmotors gebracht haben, kommen zu kurz.
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