VW Golf 1
Schwierige Käfer-Nachfolge |
Die Entstehung des Golf I mit einer Zangengeburt zu vergleichen, würde wohl den tatsächlichem Vorgang noch verharmlosen. Geschichte wiederholt sich offensichtlich, auch bei Weltmeistern der
Automobilproduktion. Als bei Ford 1927 die Tin Lizzy nach 15 Mio. verkauften Einheiten auslief, wurde das Werk für 7 Monate komplett geschlossen,
weil man versäumt hatte,
rechtzeitig ein Nachfolgemodell zu entwickeln. So ähnlich verläuft es auch bei dem in noch mehr Exemplaren produzierten Käfer. Das ursprünglich vorgesehene Modell mit Heckmotor unter der Rücksitzbank ist in
einer relativ späten Phase vom neuen Vorsitzenden Rudolf Leidig gestoppt worden. Ab jetzt soll Audi-Technik verwendet werden.
Frontantrieb ist angesagt |
Ein Nachfolger für den veralteten Käfer wird dringend gebraucht. Besonders die englischen und auch die französischen Automobilhersteller setzen schon seit längerer Zeit mit Erfolg auf den kompakten Frontantrieb
mit Quermotor und großer Heckklappe. Audi selbst bringt 1974 den Audi 50. Technisch gesehen ist der Golf 1 nur in wenigen Bereichen ein neuartiges
Auto. So ist z.B. die
Hinterachse genial einfach und doch in ihrer Wirkung erstaunlich. Interessant auch die Diagonalaufteilung der Bremse in Kombination mit dem negativen Lenkrollhalbmesser. Ansonsten ist die Technik weitgehend
bekannt.
Wenn man allerdings die Karosserie betrachtet, so geht es einem wie mit Kunstwerken, man findet sie von Jahr zu Jahr schöner. Wäre sie ca. 50 Jahre früher entstanden, man könnte sie dem berühmten Bauhaus-
Stil zuordnen. Sie wirkt einfach durch die Form, gradlinig und ohne Schnörkel, nur das Nötigste an geometrischen Kunstgriffen. So etwas entsteht fast nur in schwierigsten Zeiten. Geht es der Firma wieder gut, lassen
Mut und damit Kreativität nach.
Weitere wichtige Faktoren sind das günstige Verhältnis von Außen- und Innenmaßen und das geringe Gewicht. Die ersten Wagen sind gerade auf dem Markt, da fangen die Überlegungen zum Tuning an. Hier wirkt
sich jedes kW Motorleistung besonders effektiv auf die Beschleunigung aus. Wegen der nicht ganz so optimalen Aerodynamik gilt das leider nicht in gleichem Maß für die Höchstgeschwindigkeit. Aber auch dem
Verbrauch tut der Leichtbau gut und führt zu weiterer Gewichtseinsparung durch nur maximal 40 Liter im Tank. Einen Nachteil allerdings offenbaren die hastige Entwicklung und die geringe Verwendung von
Karosserieblech, Rost kann sich an den ersten Modellen relativ leicht ausbreiten. Deshalb sind Modelle besonders von vor1976 heute kaum noch vorhanden.
Woran man den leistungsschwächeren Motor sofort erkennt |
Trotz kompakter Außenmaße hat der Golf im Motorraum noch erstaunlich viel Platz. Den braucht er auch, leistet er sich doch den Luxus zweier deutlich unterschiedlicher Motoren, von denen einer nach hinten und der
andere nach vorne geneigt ist. Letzterer ist natürlich der leichtere und soll die Vorderachse so belasten, dass bei raschem Anfahren die Räder nicht so schnell durchdrehen. Diesen Motor wird es später mit bis zu 1,6
Liter Hubraum geben. Einstweilen hat er aber noch 1,1 Liter. Er ist der modernere von den beiden, der neben der Kurbel- und der Nockenwelle keine zusätzliche Welle zum Antrieb von Ölpumpe und Verteiler braucht.
Hier wird die Kühlmittelpumpe direkt vom Zahnriemen angetrieben. Da sie auch gleichzeitig noch als Riemenspanner dient, neigt sie bei Einstellarbeiten am Zahnriemen leider zu Undichtigkeit.
Der stärkere Motor mit Vergangenheit und großer Zukunft |
Mehr Hubraum hat der nach hinten geneigte Motor, ursprünglich eine Entwicklung bei Audi aus der Zeit, als dieses Werk noch zu Daimler-Benz gehört. Er verfügt über eine dritte, längs angeordnete Welle, von der aus
die Ölpumpe und der Verteiler und beim Dieselmotor die Vakuumpumpe für den Bremskraftverstärker angetrieben werden. Hier erhält die Kühlmittelpumpe einen eigenen Riementrieb. Trotz seines Alters wird der
Motor in Abwandlungen dem Konzern noch lange erhalten bleiben.
Vom Benzinmotor abgeleiteter Diesel |
Sensationell ist der erste Golf Diesel. Nicht wegen eines besonderen Geräuschkomforts, eher im Gegenteil. Dieselmotoren in diesem Leistungsbereich hat man bis dato mit ca. 2 Liter Hubraum, einem eigenen,
stabileren Motorgehäuse und entsprechendem Gewicht kombiniert. Jetzt ist er fast baugleich mit dem Benziner, wenn man von dem anderen Zylinderkopf, etlichen Verstärkungen und anderen Anzugsmomenten der
Befestigungsschrauben absieht. Damit rennt er seinen etwas behäbigen, z.T. mit viel mehr Hubraum ausgestatteten Dieselkollegen zumindest in der Beschleunigung glatt davon. Bewegte sich der
Kraftstoffverbrauch bei Pkw-Dieselmotoren etwas mehr in Richtung 10 Liter/100km, so ist jetzt bei sehr behutsamer Fahrweise sogar die 5-Liter-Grenze zu knacken.