Was schätzen Sie, welches Auto fahren in Deutschland die, die nach dem Krieg als erste wieder zu einem gewissen Wohlstand gekommen sind? Mercedes? Falsch! Die fahren Opel, nämlich das Modell Kapitän. Die Daimler-Benz AG müht sich verzweifelt, mit dem 220 A Paroli zu bieten, aber der Unterschied im Kaufpreis ist zu hoch. So verkauft Opel zur Laufzeit dieses Modells das Zweieinhalbfache (61.543 zu 25.937) an Autos. Natürlich greifen die wirklichen Oberklasse-Käufer nach wie vor zu Mercedes. Aber eben die Aufsteiger nicht. Die abgespeckte Version des Mercedes 220, der 219er, kommt 1956 heraus, aber da ist der Opel schon wieder weiter entwickelt. Überhaupt muss der amerikanisch geprägten Modellpolitik wohl zugrunde liegen, dass man jedes Jahr oder zumindest alle zwei Jahre ein neues Auto kauft. Trotzdem ist der Opel Kapitän von 1954 werthaltig. Schauen Sie sich dieses metallene Armaturenbrett an. Es muss für den nach dem Krieg nicht gerade verwöhnten Deutschen wie die Inkarnation von Luxus vorgekommen sein. Obwohl zu dieser Zeit in Europa zumindest noch wenig elektrische Helferlein üblich sind. Uhren im Tacho sind mechanisch und müssen regelmäßig aufgezogen werden, Scheibenwischer (beim Kapitän jedenfalls) von der Kurbelwelle angetrieben. Zusätzliche Luftzufuhr wird von Hand gesteuert, ebenfalls deren mögliche Absperrung durch eine Kühlerjalousie (59 DM) im Winter. Da ist der häufigere Blick auf die Motortemperatur besonders wichtig. Es ist die Zeit der Mechanik. Elektrische Bauteile, besonders Elektromotoren, sind teuer. Obwohl es auch zu der Zeit schon genügend Fahrzeuge mit 12V-Anlagen gibt, hat er 6 V und gerade mal 6 abgesicherte Stromkreise. Trotzdem merkt man dem Auto die Versiertheit amerikanischen Autobaus an. Hoch gelobt werden der sehr elastische, leise Motor und das doch relativ unproblematische Fahrwerk. Dies ist umso bemerkenswerter, als man durch eine weiche Federung Rücksicht auf das noch recht kaputte Straßennetz nimmt. Hinzu kommen für die Klasse überschaubare Unterhaltskosten. Der Opel teilt sich halt die Werkstatt eher mit kleineren Modellen, ganz im Gegensatz zum Mercedes. 11/11