In den Jahren 1920-24 kommt es zur Konsolidierung des GM-Konzerns. Diese ist nach den Aufbaujahren dringend nötig, denn man steht kurz vor dem Abgrund. Die einzelnen Marken arbeiten weitgehend selbstständig, Koordination findet nicht statt. Die Produktionsmarge ist teilweise recht unberechenbar. Geld wird in unterschiedlicher Höhe von den Werken verwaltet. Dem Überbau geht das Bargeld aus, das z.T. in unnötig angehäuften Lagerbeständen steckt. Genug Arbeit für den 1923 zum Präsidenten berufenen Alfred P. Sloan, der auch schon am Organisationsplan von 1919/20 entscheidend mitgewirkt hat. Er führt nach und nach für die Bereiche Einkauf, Produktion, Werbung/Verkauf und Finanzen Koordinationsgremien ein, die den einzelnen Werken so weit wie nötig Selbstständigkeit nehmen. Das macht Finanz- und Produktplanung möglich. So wird z.B. ein Gerüst erstellt, welche der Konzernmarken in welchem Preissegment antritt. Für Chevrolet heißt das, ein Auto möglichst nahe am Preis der T-Modells von Ford zu platzieren. Vielleicht sollten wir an dieser Stelle etwas näher auf die Struktur des Autos und seiner Umgebung im Jahr 1920 eingehen. Bei einem Anteil von 90 Prozent offener Wagen sind diese natürlich nicht geeignet für Amerikas lange Strecken. Dies umso mehr, als zu jener Zeit das Straßennetz noch in ziemlich rudimentärem Zustand ist. So schafft man meist viel weniger als die mit einfachen Fahrzeugen möglichen 60 km/h. Gebremst wird übrigens nur mechanisch mit den Hinterrädern, ähnlich unserer heutigen Handbremse. Das durchschnittliche Verdichtungsverhältnis beträgt 4:1, weil die erforderlichen Verbesserungen bei der Kraftstoffherstellung, die besonders bei GM durch Charles F. Kettering vorangetrieben werden, noch ausstehen. Also ist der Verbrauch nicht geringer als heute, die Leistungsfähigkeit gleichwohl bescheiden. Schon an Erhebungen muss mit unsynchronisierten Getrieben geschaltet werden (zweimal Kuppeln + Zwischengas). Auf die heute in USA gebräuchliche Getriebeautomatik, die ebenfalls hauptsächlich von GM entwickelt werden wird, muss man noch 20 Jahre warten. Der elektrische Starter ist zwar schon seit 1912 durch Kettering erfunden, im Niedrigpreissegment aber nicht unbedingt Standard. Die Batterien sind wenig haltbar, ein Grund für den Erfolg des Ford-T-Modells, das auch ohne Batterie angeworfen werden kann. Fast bei jeder Drehzahländerung des Motors muss die Zündverstellung am Lenkrad bedient werden. Lackiert ist das Auto noch immer nach Kutschenart, mit schwarzer Emaille. Das dauert im Werk bis zu 4 Wochen und bringt Lagerprobleme. Trotzdem ist der Überzug keineswegs dauerhaft. Wie gut, dass GM inzwischen eine so innige Verbindung zu den du Pont-Chemiefabriken hat und damit der Autowelt ab 1925 mit der Einführung von Nitrolacken einen entscheidenden Schritt voran hilft. Interessant auch die Umgebung. Bis dato sind meist nur Erstfahrzeuge gekauft worden, ein Gebrauchtwagenmarkt noch relativ unbekannt. Immerhin gibt es seit 1915 schon Autos auf Ratenzahlung. Von dem heute in Amerika üblichen, jährlichen Modellwechsel ist man noch weit entfernt. Immerhin existiert schon seit 1911 ein Laboratorium zur Materialprüfung und seit 1912 arbeitet Kettering auch für GM, aber erst 1920 wird eine Forschungsgesellschaft gegründet, die technischen Problemen systematisch auf den Grund geht. Im Laufe vieler Jahre wird sich die Privatindustrie einen bedeutenden Vorsprung gegenüber den Universitäten erarbeiten, um gegen Ende des Jahrhunderts wieder teilweise mit ihnen zu fusionieren. Die Grundlagen zu einer eigenen Entwicklungsabteilung werden in den frühen Zwanzigern gelegt. Auch das Styling der Wagen macht mit der Zunahme geschlossener Karosserien Fortschritte. Seit 1919 hält GM 60 Prozent am Karosseriewerk der Gebrüder Fisher, das 1926 ganz übernommen wird. 1924 wird das erste Testgelände in der Automobilindustrie errichtet, was die bis dahin üblichen Versuche auf öffentlichen Straßen entscheidend eindämmt. Wie in Amerika üblich, umfasst es schon damals 45.000 m² und wird sich im Laufe der Zeit auf das fast Vierfache ausdehnen. Doch zurück zur Situation von 1920. Das Firmenkonglomerat ist erst einmal komplett. Zusammen mit dem ersten Schub der Motorisierung Amerikas hat sich auch GM mehr oder weniger ungeordnet entwickelt. 1908-10 und 1918-20 hat es Schübe gegeben, an deren Ende aber auch herbe Rückschläge stehen. Es steht eine umfassende Revision in allen Bereichen an. Aufgaben werden neu verteilt, Entwicklungen koordiniert und durch Rentabilitätsberechnung z.B. ein Vergleich zwischen den verschiedenen Tochterunternehmen möglich. Besonders wichtig scheint in dem Zusammenhang die Anpassung der angebotenen Fahrzeugpalette an die Bedürfnisse des Marktes und der Konkurrenz. So werden Preisklassen gebildet und diese einzelnen Fabriken zugeordnet, deren Produktionsmargen koordiniert. Viel Wert wird künftig auf die Zukunftsplanung besonders im Hinblick auf die benötigten Produktionszahlen gelegt, deren frühzeitige Erfassung sich im Kfz-Gewerbe als ausgesprochen schwierig darstellt. Unter dem neuen Präsidenten Sloan werden nach und nach alle Bereiche einer Automobilproduktion hinterfragt. Welche Bereiche lassen sich zentral oder in den einzelnen Herstellerwerken besser regeln. Es wird sich im Verlauf der zwanziger Jahre zeigen, dass die inneren Verbesserungen bei GM eine gute Vorbereitung auf die kommenden Verwerfungen sein werden. So steigt der Automobilverkauf 1923 zunächst an, um 1924 wieder stark abzusacken. 1927 schließt Henry Ford seine Fabrik für neun Monate, was General Motors die Möglichkeit gibt, an der Nummer 1 vorbeizuziehen. Dies relativiert sich wieder, als Ford sein Modell A herausbringt, aber dessen Erfolg hält nur ein Jahr wirklich an. So sind wir dann bei dem Börsenkrach von 1929 angekommen, der in den Folgejahren die Produktion bis unter ein Viertel drückt. Immerhin sagt Mr. Sloan, dass GM auch zu dieser Zeit kein Minus gemacht habe. Man habe auf die veränderte Situation hin schnell gehandelt, Werke geschlossen und Arbeiter entlassen. Gerade heute gibt es viele Wirtschaftwissenschaftler, die das Verhalten der Verantwortlichen nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise tadeln. Ob die Mitte der dreißiger Jahre ausbrechenden Streiks wohl auch eine Folge der Vorgehensweise der Mächtigen während der Krise sind? Wichtige Grundsätze für das Exportgeschäft entstehen in den zwanziger Jahren. Im schwierigen Markt Westeuropa helfen zunächst Montagewerke, der von GM in Berlin. Aber man ahnt schon, dass der Nationalismus die Amerikaner langfristig zwingen wird, komplette Autos zu bauen. Wieder zeigen sich die Unterschiede zwischen GM und Ford. Letztere errichten in Köln ein vollkommen neues Werk, während GM nach einem Partner Ausschau hält. Da man immer zunächst an die größten denkt, soll es 1919 zunächst Citroen sein. Man will nur eine Beteiligung, Andre Citroen den Verkauf und die französische Regierung ist dagegen, ein wahrhaft schwieriges Szenario. Hinzu kommt, dass bei Besichtigung der Produktionsanlagen teilweise Ernüchterung ob der zu tätigenden Investitionen auftritt. Ein ähnliches Phänomen tritt 1925 bei der geplanten Übernahme von Austin in Großbritannien auf, zuzüglich der eigenartigen Steuerpolitik, die kleinvolumige Langhuber begünstigt. Schließlich übernimmt man 1928 die viel kleinere Firma Vauxhall. Das anfänglich geringere Interesse an Opel steigt merklich, als drei wichtige Vorständler deren Produktionsanlagen besichtigen. Bei den weiteren Prüfungen kann Opel noch mehr Pluspunkte vorweisen: 736 Verkaufsstellen, größter Motorfahrzeughersteller Deutschlands. Den verbliebenen Opel-Brüdern gelingt das Kunststück, kurz vor der Weltwirtschaftskrise den Betrieb für insgesamt 33 Mio. Dollar (ein Teil wird später bezahlt) zu verkaufen und trotzdem weiterhin in der Firma zu bleiben. Bei der ersten Ansprache eines Vorstandsmitglieds vor den Händlern wird dieser allerdings milde belächelt, als er von zukünftig 150.000 verkauften Fahrzeugen pro Jahr ausgeht, eine Zahl übrigens, die 1954 locker überschritten wird. So groß sind die Unterschiede in der Betrachtung der Zukunft. Die Amerikaner sehen Deutschland als kfz-technisches Entwicklungsland auf dem Stand von 1911. Als kleines Beispiel dazu möge dienen, dass Opel zwar Massenhersteller ist, aber direkt einbaufähige Ersatzteile für die Händler nicht bietet. Diese müssen sie entweder selbst fertigen oder die vom Werk gelieferten nacharbeiten. Noch viel Arbeit für GM ... 11/09