1973 Alfasud
Es ist schon ein für seine Klasse faszinierendes Auto, der Alfasud. Er soll die Fahrdynamik eines Alfa Romeo in die Kompaktklasse übertragen und so wie er konstruiert ist, könnte es gelingen. Die Firma und der
italienische Staat investieren eine ganze Menge Geld in ein Werk im von hoher Arbeitslosigkeit gekennzeichneten Süden von Italien (Pomigliano d'Arco, Provinz Neapel). Die Stückzahlen dieses einen Wagens könnten die
aller anderen Alfas zusammen übertreffen. Er wird voller Hoffnungen auf der Turiner Motorshow von 1971 präsentiert. Warum kommt es anders?
Bevor diese Frage beantwortet wird, hier noch ein paar Fakten. Da der italienische Staat unbedingt etwas für den weniger entwickelten Süden tun will, begünstigt er das Projekt (gegenüber dem Konkurrenten Fiat), das dann
auch 'Alfasud' heißen soll. Eigentlich ist das sogar die Geburt einer neuen Automarke. Rudolf Hruska, schon bei der Entwicklung des Käfers und auch des
Cisitalia von Porsche dabei, verlässt Fiat für die neue Aufgabe. Als Designer wird Giorgio Giugiaro verpflichtet und das
Autowerk entstehtsynchron
mit der Fahrzeugentwicklung, kann also den Erfordernissen des neuen Wagens angepasst werden. Man kann ahnen, wie spannend diese Aufgabe für die Beteiligten gewesen sein muss.
Heraus kommt ein sehr modernes Auto mit flachem Boxermotor und Frontantrieb. Der Motor glänzt durch wenig Baulänge und damit kurzem vorderen Überhang. Eine entsprechende Aerodynamik ist zu erwarten. Einzig
seine Gemischaufbereitung ist in den ersten Versionen noch ein wenig zurückhaltend. Viele Alfas verfügen über eine Mehrvergaseranlage, die sich beim Alfasud noch mehr gelohnt hätte. Aber vermutlich scheut man die
Einstellempfindlichkeit und muss kostenbewusst denken.
Die restlichen Zutaten erfüllen diesen Tatbestand ebenfalls und sind trotzdem konstruktiv absolut vorteilhaft. Die Vorderachse entspricht dem Stand der Technik. Fortschrittlich daran sind die Bremsscheiben, die zur
Reduktion der ungefederten Massen nach innen verlegt werden. Die Hinterachse ist starr, was ihre guten Mitlaufeigenschaften keineswegs schmälert. Immerhin hat auch sie Scheibenbremsen. Auch für ein gutes Fahrwerk
ist die Wahl des Boxermotors gut, verleiht er dem Wagen doch zusätzlich einen besonders tiefen Schwerpunkt.
Noch ein Wort zur Karosserie. Wenn jemand die große Heckklappe vermisst, so muss er etwas später zum allerdings nicht so gelungenen Giardinetta (Kombi) greifen. Auch gibt es leider keine umlegbare Rücksitzlehne
mit Durchlademöglichkeit. Aber auch für diesen Fauxpas lässt sich eine Erklärung finden. Denn die Karosserie ist auch für die damalige Zeit recht leicht und bewahrt sich damit die Alfa-typische Sportlichkeit, 1200 cm³ zum
Trotz. Ansonsten kann die Außenhaut doch wohl als gelungen bezeichnet werden, so sehr, dass sie auch zwanzig Jahre später kaum noch auffällt. Schauen Sie sich den Seat Leon aus den 90er Jahren an und Sie wissen,
was hier gemeint ist.
Und warum fällt so ein Auto durch, von dem die Tester vielleicht gerade einmal die (in Italien zu der Zeit übliche) schleche Handbremswirkung rügen? Weil in diesem Fall zwischen der Konstruktion und der Produktion ein
riesiger Unterschied bestand. Und der schlägt sich hauptsächlich auf die Karosserie nieder. Denn Schäden an Neufahrzeug-Motoren könnte man schwer kaschieren, aber wer sieht schon einer neu lackierten Karosserie
ihre mangelhafte Untergrundarbeit an? Wir wollen hier nicht untersuchen, wen die Schuld an dieser Misere trifft, jedenfalls gibt es Alfasuds mit Durchrostungen in den ersten zwei Jahren. Da gleichzeitig nicht genug
Fahrzeuge für die immense Nachfrage produziert werden, können potentielle Käufer noch rechtzeitig abspringen.
Ab 1983 wird es besser ... |
Sicherlich hat dieses Auto der Marke 'Alfa' mehr geschadet als genutzt. Obwohl auch rostmäßig in der Konstruktion viel getan wird. So gibt es verzinkte Bleche am Unterboden und gut gemeinte Ausschäumung der
Querlenker. Der Verdacht liegt nahe, dass außer schlampiger Arbeit auch Bleche verwendet werden, die den Rost geradezu magisch anziehen. Wird z.B. die Bohrung für eine Antenne nicht absolut sorgfältig versiegelt, so
ist sie nach einem Jahr soweit gewachsen, dass die Antenne keinen Halt mehr findet und durchfällt. Nur wer mit dem Alfasud viele Kilometer zurücklegt, kann dem Rost zuvorkommen, denn die Mechanik gibt nur wenig
Anlass zum Klagen.
Die Schäden an der Karosserie lohnen oft das Schweißen nicht ... |
Arbeitskämpfe werden fast traditionell in Italien mit großer Härte geführt, und nicht nur von Seiten der Gewerkschaften. Die Firma Fiat weiß ein Lied davon zu singen, dass bisweilen höhere Bedienstete über Tage im Werk
gegen ihren Willen festgesetzt werden. Der 'berühmteste Fall im Alfasud-Werk Pomigliano d' Arco ist der des Arbeiters, der sich aus Arbeitsschutzgründen weigert, seine Arbeit zu tun, aber gleichzeitig seinen Arbeitsplatz
nicht räumen will.
Er wird noch sehr lange gebaut, allerdings als Alfa 33 ... |
Er hätte ein Renner werden können, doch bleibt für die erste Alfasud-Serie nur Hohn und Spott, überhaupt nicht gut für die Mutter im Norden. Und wenn man sich heute unter den Alfa-Oldtimern umsieht, von den ersten
Alfasud scheint kaum einer übrig geblieben zu sein. Was natürlich auch auf besonders akribisch durchgeführte TÜV-Prüfungen durchschlägt.
|