Unkomfortabel?
Seit es bei der E-Mobilität eine größere Konkurrenz gibt, geraten die Fahrzeuge in den Fokus, denen man zu wenig Komfort nachsagt. Stärker rückt damit auch Tesla ins Rampenlicht, wo man für das
Performance-Modell die härtere Federung gelten lässt, aber sich für den Rest der Modelle doch etwas mehr Tauglichkeit für die Langstrecke wünschen mag.
Taucht die Frage auf, ob E-Autos generell härter gefedert und stärker gedämpft sein müssen als Fahrzeuge nur mit Verbrenner-Motor. Man bezieht das natürlich auf das höhere Gewicht und dokumentiert damit
gleichzeitig den Unsinn einer solchen These. Jede(r) mit einer gewissen Erfahrung auch als Beifahrer/in im Autobereich weiß, wie komfortabel frühere Oberklasse-Limousinen gegenüber Kleinwagen abrollten.
Jetzt könnten Sie einwenden, dass man doch an einem Lkw sehen kann, wie schwer sich große Massen tun, einigermaßen vernünftig ein- und auszufedern. Besonders Anhänger von Gliederzügen springen im
unbeladenen Zustand wie die Hasen, machen als Transporter von Schüttgut auch noch entsprechend viel Lärm. Was ist denn nun, ist viel Leergewicht gut für sanftes Abrollen oder schlecht?
Um diese Frage zu beantworten, müssen Sie noch einen wichtigen Aspekt hinzunehmen, nämlich die Zuladung. Die ist bei den oben beschriebenen Hängern besonders krass, denn diese können das Zwei- bis
Dreifache ihres Leergewichts an Nutzlast aufnehmen. Bedeutet, auch voll beladen darf die Federung nicht durchschlagen. Es kommt also sehr auf das Verhältnis von Nutzlast zu Eigengewicht an.
Das ist natürlich bei einer Sattelzugmaschine günstiger, weil hier der komplette Antrieb mitzählt. Da ist das Verhältnis von Nutz- zu Eigenlast etwas größer als 1. D.h. das Leergewicht macht weniger als die
Hälfte des zulässigen Gesamtgewichts aus. Wie man an den doppelten, zwillingsbereiften Achsen sieht drückt hier der Auflieger ganz schön auf die Zugmaschine.
Natürlich haben wir beim Pkw eine völlig andere Situation. Schon der Kleinwagen hat das doppelte Leergewicht seiner Zuladung. Da sich diese die Fahrzeugklassen hinauf nicht wesentlich ändert, das Gewicht
aber schon, wird das Verhältnis immer günstiger. Es ist also nicht generell einem hohen Gewicht geschuldet, wenn Fahrzeugfederung und -dämpfung in Schwierigkeiten gerät, sondern dem Verhältnis zur
Nutzlast.
Ein fast noch wichtigerer Aspekt rührt von den ungefederten Massen her, genauer gesagt von deren Verhältnis zu den gefederten. Auch hier hatten die Oberklasse-Limousinen einen Vorteil gegenüber den
Kleinwagen. Denn natürlich braucht auch der eine besonders stabile Radaufhängung, die nicht bei jeder Schwierigkeit womöglich bricht. Mit der größer geforderten Stabilität bei schwereren Wagen wächst aber
nicht ihr Gewicht entsprechend deren Zuwachs an Gesamtgewicht.
D.h. größere Pkw haben ein besseres Verhältnis von gefederten zu ungefederten Massen. Eine Schraubenfeder wird nicht doppelt so schwer, wenn sie eine größere Karosserie abstützen muss, die anderen
Teile der Radaufhängung auch nicht. Selbst die Radgewichte wachsen nicht in dem Maße mit wie die Fahrzeuge, an denen sie ihren Dienst tun. Denn hier handelt es sich um sicherheitsrelevante Teile, die nicht
selten mit 200 bis 300 Prozent Zuschlag dimensioniert werden.
Die Oberklasse der Pkw hat also schon immer von ihrem hohen Gewicht verglichen mit ihrer Zuladung und ihren ungefederten Massen profitiert. Und genau das gilt auch für Elektroautos, zumal hier die Nutzlast
sogar gesunken zu sein scheint. Nein, die geringere Anhängelast ist damit weniger gemeint als vielmehr z.B. die Stützlast. Beim ID.3 hatte VW sogar anfänglich Schwierigkeiten, eine Auffangvorrichtung für zwei
Pedelecs anbieten zu können.
Der tiefere Schwerpunkt durch die Batterien wird natürlich dauernd artikuliert, trägt aber tatsächlich z.B. zur Verringerung der Wankbewegungen auf natürliche Art bei. Wie ist es unter den genannten Aspekten
denn nun zu erklären, dass Tesla solche Möglichkeiten bei den ganz normalen Fahrzeugen nicht besser nutzt? Hier der Versuch von zwei Deutungen, für deren Korrektheit wir allerdings nicht garantieren
können.
Erstens, Tesla ist ein Newcomer. Das erste Auto entstand auf Basis eines bestehenden Verbrenners von Lotus. Erst die weiteren Fahrzeuge basierten auf Eigenkonstruktionen. Das bedeutet, man hat noch
nicht die Erfahrung anderer, schon seit langer Zeit bestehender Autobauer. Da hilft es vielleicht, sich entsprechende Leute einzukaufen, aber das Grundproblem bleibt.
Wie würden Sie ein Fahrwerk auslegen, wenn Sie Neuling im Autobau wären? Natürlich würden Sie die sicherere Alternative wählen, bloß nicht unkontrollierte Bewegungen zulassen. Mit einer härteren Federung
und Dämpfung ist man immer auf der sicheren Seite, vorausgesetzt, man übertreibt es nicht, siehe das Beispiel mit den springenden Hängern oben.
Bei Tesla kann man das noch an anderer Stelle spüren, nämlich z.B. an der Vorsorge gegen Seitenaufprall. Die scheint durch zusätzliche Bauteile im Bereich der Batterie bzw. der Schweller deutlich stärker als
bei anderen Herstellern zu sein, die ja auch z.B. durch den NCAP-Test müssen. Hier scheint man bei Tesla lieber das höhere Gewicht akzeptiert zu haben, als vielleicht in diesem Punkt beim Test durchzufallen
und sehr aufwändig nachbessern zu müssen.
Die übrige Autowelt hätte nur zu gerne einen solchen Misserfolg aufgegriffen und an diesem Beispiel gezeigt, dass Tesla eben doch ein Neuling sei und man dem Produkt nicht vollständig trauen dürfe. Es ist
nicht ganz abwegig, Tesla solche Überlegungen auch beim Fahrwerk zuzutrauen. Außerdem ist die Marke natürlich extrem auf das Argument der sogenannten Sportlichkeit aus, auch und gerade, wenn sie sich
auf das Auto und nicht etwa auf den/die Fahrer/in bezieht.
Auch der Firmenchef genießt es, Leute ins Auto einzuladen und dann die enorme Beschleunigung vorzuführen. Im Anfang konnte man das als Mittel zur Förderung des Absatzes von E-Autos gelten lassen,
inzwischen wirkt es bezogen auf den Umweltschutz geradezu kontraproduktiv, wenn es nur z.B. um die Produktion von Feinstaub durch Reifenabrieb geht.
Fassen wir zusammen: Es ist absolut nicht nötig, bei einem E-Auto mit besonderer Sportlichkeit zu werben, besonders, wenn auf die zweifellos beeindruckende Beschleunigung die bei dieser Fahrzeugart
erzwungene Langsamfahrt folgt. Das hohe Gewicht ist für einen besseren Federungskomfort keineswegs hinderlich, sondern eher das Gegenteil ist der Fall. Trotzdem ist der Versuch nicht strafbar, dieses unter
allen Umständen noch weiter zu senken.
|