Klimaanlage - Bugatti

kfz-tech.de/PKl21
Ist ja sehr die Frage, ob man im Bugatti zu einer (wichtigen) geschäftlichen Besprechung vorfährt. Dann doch wohl eher in der Oberklasse-Limousine mit Chauffeur/in. Sollte man daraus schließen, dass bei
einem eher in der Freizeit genutzten Bugatti die Klimaanlage nicht so wichtig sei, also auch Schweißränder unter den Achseln nicht so tragisch sind.
Natürlich weit gefehlt. Wer Millionen für ein Auto ausgibt, verlangt Perfektion, und das nicht zu knapp. Niemand weiß das wohl besser als die Ingenieurin Julia Lemke als technische Gesamtverantwortliche für
die Klimatisierung bei Bugattis neuem Kühlsystem. Durch den Mittelmotor sind hier die Klimaleitungen mit 9,5 m besonders lang.
Das ist natürlich reizvoll, sie zu fragen, wie sich denn nun Chiron, Divo und besonders der extreme Chiron Pur Sport im Alltag bewegen lassen. Die Antwort beruhigt, wie nicht anders zu erwarten. 'Selbst
unerfahrene Autofahrer kommen mit einem Bugatti auf Anhieb zurecht.' Aber natürlich beneiden näher und ferner Umstehende Julia Lemke um diesen 'Traumjob'.
Was für ein Aufstieg von ihrem ersten Wagen, einem VW Passat von 1985. Interessant, was man denn studiert haben muss, wenn man die Arbeiten an der Klimaanlage eines Bugattis koordinieren darf.
Überraschende Antwort: Eben nicht unbedingt Kfz-Technik, sondern Verfahrenstechnik mit Schwerpunkt Thermodynamik. Und dann ist die Frau auch noch Diplom-Archivarin.
Und damit nicht jede(r) denkt, der/die sich mit Thermodynamik beschäftigt, er/sie könne vielleicht auch in so eine Position gelangen, hat Frau Lemke auch noch einen Doktortitel mit einer Arbeit über
'Energetische Bewertung von Pkw-Klimaanlagensystemen mit Sekundär-Kreisläufen'. Ob das hier auch zutrifft, dass solche Möglichkeiten erst während der Arbeiten bei so einem renommierten Arbeitgeber
genutzt werden?
Hätten Sie gewusst, dass es die Amerikaner im Durchschnitt etwas kälter lieben als Europäer? Immerhin gibt da ja nicht nur Kalifornien, sondern auch den mittleren Westen mit elektrischen Kontakten an
Parkplätzen, um den Motor warm zu halten. Selbstredend müssen Bugatti-Entwickler/innen nach USA schauen.
Und das eine veränderte Temperatur in einem Hypersportwagen sehr rasch und ohne Zugluft und Geräusche erreicht werden muss, ist auch selbstverständlich. An Fahrzeuge, die Geschwindigkeiten deutlich über 250
km/h erreichen, werden besondere Anforderungen gestellt, denn aus dem Druck über die normalen Lufteinlässe wird dann ein Unterdruck.
Es muss also ab dieser Geschwindigkeit ein Regelsystem mit zusätzlichen Staudruckklappen und einem darauf reagierenden Gebläse eingreifen. Auch bildet die wegen der Schräge mit 1,3 m3
riesige Windschutzscheibe ein Einfallstor für Sonneneinstrahlung, wie es ein Kompaktwagen mit halb so großer Scheibe gar nicht hat.
Zusätzlich gibt es bei Bugatti auch noch das 'Sky View'-Glasdach, dass die Probleme noch verschärft. Erfordert bei den Chiron-Modellen und dem Divo einen Klimakompressor mit 10 kW Kälteleistung, was bei
manchen Fahrzeugen als Antrieb für 80 bis 100 km/h reichen würde. Man spricht bei Bugatti von 3 kg Kältemittel, das von 2 auf bis zu 30 bar verdichtet wird.
Und da rund um einen solchen Supermotor ohnehin die Aggregate um ihre Plätze ringen, hat der Kompressor einen ziemlich in der Nähe der Abgasanlage erwischt. Offenbar ist auch die Abstimmung der Anlage
auf die enorme Bandbreite der Leistung des Triebwerks ein Problem. Ob die Ingenieurin die Wirkung der Anlage auch bei Tempi jenseits der 250 km/h testet?
Auf den Bildern hat sie einen Laptop in der Hand. Simulation ist heutzutage ein enormer Bestandteil des Testens. Trotzdem stehen ihr offenbar über die Dauer der Chiron-Entwicklung zwei Versuchsfahrzeuge
zur Verfügung.
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