Geschichte - Ganz selten

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Schon der Zweitaktmotor ist im Auto eine Seltenheit. Er entsteht meist aus der Not, auch in früheren Zeiten. Als Meister dieser Kunst darf getrost
die Firma DKW genannt werden, der nicht nur der Trabi seine
Existenz verdankt, sondern die sich in viele Richtungen ausgedehnt hat, beispielsweise zu Saab in Schweden.
Hier soll es jetzt aber um einen Motor gehen, der in dieser Seltenheit noch einmal etwas besonders Rares darstellt. Er betritt die Bühne noch vor
dem berühmten Frontantrieb des DKW, findet sich in einem ganz
konventionell gestalteten Fahrwerk sogar mit starrer Vorderachse und mit selbsttragender Holzkarosserie. Die Rede ist von der einmaligen
mathematischen Gleichung: 4 = 8.
Vielleicht haben Sie schon von 3 = 6 gehört und den Kopf geschüttelt. Der Hersteller will mit dieser kurzen Formel ausdrücken, dass ein
Dreizylinder-Zweitaktmotor so viele Arbeitstakte in zwei Umdrehungen der
Kurbelwelle ausführen kann wie ein Sechszylinder-Viertakter. Natürlich appelliert er damit auch an dessen Laufverhalten, ein Versprechen ohne
wirkliche Einlösung.

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Bei 4 = 8 geht es also weiter, indem vier Zylinder die Häufigkeit der Arbeitstakte eines Achtzylinders schaffen. Das funktioniert wie so manches
beim Zweitakter. Das ist eben eine Motorbauart, die häufig etwas zu
vereinfacht dargestellt wird, gerne auch heute noch mit Querstromspülung, obwohl schon 1930 die Umkehrspülung erfunden wurde.
Man darf eben nicht auswendig lernen. Vorurteile wären an diesem Motor nach einem ersten Blick leicht möglich. Man würde ihn als V6
identifizieren, sich vielleicht noch über die 90° Bankwinkel wundern. Aber
außer dem Letzteren ist alles verkehrt, denn nach Öffnung des Motors, was bei den ersten Exemplaren übrigens bei fest angegossenen
Zylinderköpfen nicht möglich war, entpuppt er sich als V4 mit
Ladepumpe.

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Kürzlich haben wir über amerikanische Zweitakt-Dieselmotoren berichtet. Die räumen auf mit der Mär, dass ein Zweitakter grundsätzlich keinen
Ventiltrieb habe. Zusätzlich haben wie hier mit diesem V4 im Prinzip
den Kurbeltrieb eines Viertakters, also einem offenen Raum mit Ölsumpf, in dem die Kurbelwelle rotiert. Das heißt dann auch, ade Mischungs-
oder Frischölschmierung.
Und wozu sind die beiden vorderen Zylinder da? Dazu müsste man deren Kolben genauer betrachten und bemerken, dass sie nach oben und
unten abgedichtet sind, letzteres durch kleine zusätzliche Kolben. Es
handelt sich hierbei um eine sogenannte Ladepumpe, im Prinzip ein Kompressor, auf der gleichen Kurbelwelle laufend wie die übrigen Kolben.

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Es werden also Kraftstoff-Luftgemische angesaugt und verdichtet, je eins ober- und unterhalb dieser eigenartigen Kolben und dann zur rechten
Zeit jeweils in die Brennräume der Nachbarzylinder gepumpt.
Dadurch erspart man sich die sonst übliche Vorverdichtung im Kurbelgehäuse. Auf dem Papier ein durchaus plausibles und stimmiges Konzept,
in der Praxis jedoch mit Schwierigkeiten behaftet.
Nein, die Mängel, die sich schon bald hervortun, sind eigenartigerweise der Verarbeitungsqualität und eben nicht dem Prinzip geschuldet. Nun
gut, er wird ewig seinen etwas zu großen Durst und auch die für Zweitakter
typische, wenn auch kleine Rauchfahne aus dem Auspuff beibehalten. Sogar die trotz Ladepumpe als enttäuschend empfundene Leistung stellt
anfangs nicht das Hauptproblem dar.
18 kW (25 PS) aus knapp einem Liter Gesamthubraum sind auch damals schon eher Mittelmaß, das schaffen auch Viertakter und brauchen dazu
bei weitem nicht den doppelten Hubraum. Irgendwie bringt man
schon den Motorblock mit seinen Kolben nicht richtig zusammen, Ausschuss und Reklamationen häufen sich. Hinzu gesellt sich ein viel zu häufig
nötiger Kerzenwechsel.

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Man reagiert, reduziert den Hubraum auf knapp 800 cm3 und natürlich auch weniger Leistung, was dann später wieder rückgängig
gemacht wird. Das klingt nicht gerade strategisch gedacht. Dabei ist der Rest
des Wagens so konventionell und wenig verändert, wie er nur sein kann. Erst später wurden hier Kühler und Reifen größer und hydraulische
Bremsen montiert.
Heute erschließen sich z.B. die Probleme mit der Schmierung der Kurbelwelle schon nach Sichtung der Pleuel. Die haben so kleine pinförmige
Stifte nach unten, mit denen sie in den Ölsumpf eintauchen und
dadurch für Verwirbelung sorgen sollen. Denn es ist keineswegs eine mögliche Druckumlaufschmierung installiert. Durch den Öldunst der
keineswegs als Löffel ausgebildeten Stifte soll eine Schmierung der nach wie vor
beibehaltenen Wälzlager erreicht werden.
Zwischendurch wird das ganze Projekt sogar den Audi-Entwicklern aufs Auge gedrückt, denn wir befinden uns schon mitten in dem
Zusammenschluss von Horch, Wanderer, Audi und DKW zur Auto Union
Anfang der 30er Jahre. Die Crew ist berühmt, weil sie es schafft, innerhalb von nur 6 Wochen den ersten Fronttriebler von DKW rechtzeitig zur
Automobilausstellung 1931 fertigzustellen. Insgesamt wird der
Motor letztlich haltbar, aber was man sich von ihm Besonderes versprochen hat, erreicht er eigentlich nicht.

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