Kolben - Prüfung
 
  
Nicht nur die Größe und Form des Kolbens ist im Umbruch. Der ewig gelobte Alu-Kolben muss sogar bei einigen Pkw-Kolben dem Stahl Platz machen. Bei Lkw hat er schon längst verloren. So sind auch die alten 
Unterscheidungen zwischen Autothermik und Autothermatik nur noch etwas für veraltete Gesellenprüfungsfragen. Geblieben ist eine gewisse Ovalität und ein ungleiches Spiel in Kolbenbolzen- und Gegenrichtung 
beim Warmwerden durch eine ganz bestimmte Materialanhäufung. Auch kann sich der weniger starre Schaft besser an das sich veränderndes Spiel anpassen. Etwas neuer ist ein bewusst schräg gestalteter 
Kolbenschaft, der nur in einer schmalen Zone fast am unteren Ende trägt. Ganz symmetrisch ist er wegen der höheren Belastung auf der Druckseite nicht mehr. 
  
Bleibt es beim Aluminium, z.B. beim Benzinmotor, so sind die höher belasteten geschmiedet. Offensichtlich hält es den Schmiedekolben enger in seinen Toleranzgrenzen, auch bei hoher Belastung. Natürlich ist 
man dabei nicht mehr ganz frei in der gerade bei hoher Belastung wichtigen Gestaltung des Innenraums unterhalb des Kolbenbodens. Denn die pressende Form muss ein- und ausfahren können. Dabei nicht 
abgestützte Flächen sind unmöglich. Insgesamt ist eine unglaubliche Weiterentwicklung gerade im Rennbereich mit mittleren Kolbengeschwindigkeiten bis zu 25 m/s zu beobachten. 
  
Bei der Auswahl eines Werkstoffs für den Kolben ist u.a. wichtig woraus die Zylinderwand besteht. Schließlich sind die beiden Reibungs- und Wärmeausdehnungspartner und müssen bei allen auftretenden 
Temperaturen, Drücken und Betriebsbedingungen wie Misch- oder Trockenreibung miteinander auskommen. Das sind keine geringen Belastungen wie z.B. bis zu 120 bar Verbrennungsdruck beim Benziner, 200 bar 
beim Diesel-Pkw, noch höher beim Lkw-Motor. Die absoluten Spitzentemperaturen betragen bei Aluminium 400°C und bei Stahl sogar 500°C. Deshalb braucht ein Stahlkolben eher eine externe Kühlung als der aus 
Aluminium. 
  
Die Kolbenbeschleunigungen sind ein Thema. Die letzten verbliebenen sportlichen Saugmotoren kamen bis 10.000/min, die Formel 1 schaffte zwischenzeitlich fast doppelt so viel. Daraus resultieren trotz der extrem 
kurzhubigen Auslegung Beschleunigungen von weit über 25.000 m/s². Kolben für diese Motoren haben unglaublich geringe Kompressionshöhen und so gut wie keinen Schaft. Die Gefahr von Kippen und 
Geräuschentwicklung scheint zweitrangig zu sein. Bei manchen Dieselmotoren kann die Kompressionshöhe nicht mehr kürzer werden, weil die Kolbenkammer zusammen mit genügend Wandstärke und der 
gegenüber dem Benzinmotor viel stärkere Kolbenbolzen entsprechenden Platzbedarf haben. 
  
Das Gleitverhalten des Kolbens beeinflussen die Kolbenringe mit ihrer Vorspannung und ihrer z.T. sogar gesondert bearbeiteten Oberfläche, nicht hingegen die Ringzone. Im Gegenteil versucht man, einen Kontakt 
zwischen ihr und der Zylinderwand zu vermeiden. Immerhin braucht man sich in der Regel nur noch um zwei Verdichtungs- und einen Ölabstreifring zu kümmern. Das einzig wichtige Maß der Ringzone ist der 
Abstand des obersten Kolbenrings vom Kolbenboden, der je nach Druck und Temperatur bestimmt wird. Zu den nächsten Ringen hin geht es dann schon bedeutend enger zu. Auch sind die Ringnuten dank 
schmälerer Kolbenringe kleiner geworden. 
  
Scheinbar Widersprüchliches passiert beim Schaft. Einerseits soll er den Kolben führen, ist aber kleiner geworden. Da, wo er nicht führt, z.B. im Bereich der Kolbenbolzen, ist er fast ganz verschwunden. Um den 
Anlagenwechsel des Kolbens verträglicher zu gestalten, gibt es neben der Desachsierung noch das inzwischen verringerte Kolbenspiel, kompensiert durch scheinbar elastische Schaftwände. Da führt also ein Teil 
des Kolbens und passt sich trotzdem gewissen Gegebenheiten an. Wiederum unglaublich, was enge Führung des inzwischen fast immer beschichteten Kolbens bei der Geräuschentwicklung unserer Motoren 
gebracht hat. 09/12
  
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