Kassel, wir bleiben bei der heutigen Schreibweise, ist der ursprüngliche Standort der Henschel-Werke. Er gehört heute zu Mercedes, beschäftigt etwa 3000 Mitarbeiter und gilt als das größte Achsenwerk Europas. Das Werk ist jetzt etwas mehr als 200 Jahre alt, die Geschichte der Unternehmerfamilie Henschel reicht noch mindestens 50 Jahre weiter, und zwar als Gießerei für Kirchenglocken. 1810 wird dann das neue Werk gegründet. Produziert werden aber auch Kanonen. Es ist die Zeit nach Napoleon (1815) und der Wiederauferstehung von Preußen mitsamt der Bewaffnung, die nach mehreren Kriegen zur Gründung des Deutschen Reiches 1871 unter Preußens Vormacht führt. Dem Geschäftsverlauf kommt auch der alsbald nach der Gründung beginnende Eisenbahnbau entgegen.
Stahl wird aber auch beim Brückenbau (siehe Geschichte MAN) gebraucht und gegen Ende des Jahrhunderts für Deutschlands Aufrüstung gegen Englands Marinevormacht. Der Betrieb rühmt sich, bis 1923 über 20.000 Lokomotiven gebaut zu haben, die ersten heißen 'Drache' und 'Eduard'.
Als das Auftragsvolumen nach dem Ersten Weltkrieg wegen der Inflation und der rigiden Geldpolitik der Weimarer Republik einbricht, wendet man sich der Produktion von Nutzfahrzeugen zu. Ähnlich wie MAN baut man zunächst schweizerische Busse und Lkw von 3 bis 6 Tonnen mit Motoren bis 37 kW (50 PS) in Lizenz: Franz Brozincevic aus Wetzikon.
Es bleibt vorerst noch bei 3 bis 6 Tonnen, allerdings sind auch Auflieger mit zwei Anhängern und 36 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht erlaubt. Der erste Serien-Diesel als Mischung aus Kammermotor und Direkteinspritzer bringt es auf 92 kW (125 PS). 1935 wird dann die Produkt-Palette auf 2,5 - 10,9 Tonnen bzw. 20 bis 60 Bus-Passagiere erweitert.
Hitlers verstärkter Bau der Autobahnen ermöglicht erstmals schnelle Busreisen. Henschel entwickelt dazu einen Bus in Stromlinienform. Auch die leichten Lkw sollen schneller aerodynamischer werden und erhalten Abrundungen am Fahrerhaus und einen schräg gestellten Kühlergrill.
Da sich Henschel seit 1933 auch noch mit der Luftfahrt beschäftigt, kann man sich die Bedeutung des Werks für die Kriegsproduktion leicht vorstellen. Allerdings wird es dadurch auch zum Ziel alliierter Bomber. Bei Kriegsende 1945 ist es zu 80 Prozent zerstört. Es hat 15.000 Mitarbeiter, darf aber nur von der Besatzungsmacht genehmigte Produkte fertigen. Erst 1949 hat man die Fertigung von Nutzfahrzeugen wieder ins Werk zurückgeholt. Der einzige vorhandene Motor ist der mit 70 kW (95 PS). Allerdings wird er z.T. in Busse unter der Bezeichnung 'Bimot' und dann auch in Lkw in doppelter Ausführung eingebaut. Die Entwicklung zieht auch im Lokomotivbau stark an.
1957 kommt es zur Krise. Die Familie Henschel scheidet aus. Ein externer Verwalter leitet die Firma und übernimmt sie nach und nach. Die Fertigung im Bereich Lokomotiven und Flugmotoren wird beendet. Die Belegschaft, zwischenzeitlich auf 8.000 gesunken, erreicht wieder die Zahl 13.500. 1960 scheint die Depression durch erneuten Einstieg in die Lok-Produktion und ein neues Fahrzeugprogramm beendet. Aber der Geschäftserfolg bleibt aus. Kooperationen z.B. mit Saviem misslingen, die neuen Modelle haben nur mäßigen Erfolg. Auch das Angebot, die Fahrzeuge im Leasing-Verfahren zu erwerben, verfängt nicht. Und dann soll auch noch ein Rüstungsauftrag unsauber abgewickelt worden sein. Henschel wird zunächst von Rheinstahl und dann von Daimler-Benz übernommen. 12/14